.:: Galatella die Brohlbachnixe ::.

Eine Legende von Nikolaus Elmar



Zweites Kapitel



WIE ALLES ANFING



Als unser lieber Brohlbach noch mit mächtigen Wogen das Tal durchflutete, weithin sein Getöse dröhnen ließ, ungerne nur unter der grellen Sonne hellgrün oder zartblau glänzen mochte und in seltenen Nächten, wenn schwarze Wolkenfetzen vor dem glühenden Monde einherjagten, ruhiger und schwarz wie kühler Schiefer zu lockender, sanfter Plätscherserenade fand, als mithin noch die Riesenfrösche im Ufersumpf ein Quakstaccato austrompeteten, die Kokospalmen sich am Flusslauf wiegten und der Brohltalelch träumerisch durchs Urgras trabte, ob eine Brohltalelchin zu finden sei, damals, als aus dem Bausenberg stets eine rote Wolke dampfte und am Laacher Krater noch kein Kloster stand, Tag für Tag die Landschaft zu heiligen, vielmehr krächzende Flugechsen den Vulkan umkreisten, da lebten im Fluss noch die Nymphen. Ihnen gehörte der Fluss. Sie wohnten in weißhellen Höhlen, die heute die Bachwiese säumen; auf Riff und Flussgrund ober- und niederweilten sie, wie ein Dorfname treulich es festhält, ganz nach Mutwill und Laune; sie spielten auf Schieferbergen - frühlings weiß-grün überschleiert, mit gelben Ginstertupfern - , damals noch blank oder algenverzottelt ; sie kannten, gesellig, die Nymphen vom Rhein, ja über Flussecken- und biegungen war Zisbrula mit einer Moselnymphe verwandt, einer Großtante wohl. Zisbrulas Schwester hieß Galatella. Fast viel zu klein für den tosenden Brohlfluss, zuckte bei jeder Welle, um nicht mitgeschwemmt zu werden, silbrig ihr Leib mit endlosem Eifer, pitschelten aufgeregt die hellblauen Flösschen. Aber wirkliche Sorge kannten die Nixen nicht, denn sie schienen nicht sterblich. Darüber zwar mag man aus heutiger Sicht streiten. Andererseits hat Charles Darwin auf Galapagos eine mehrhundertjährige Nymphe gesehen und sich in die Rosaknospen zweier Schneehügelchen verliebt, von denen Galatella zartere besaß. Viel schwerer ist die Haarfarbe einzuschätzen: sinnliches Braun oder wildes Schwarz über lieb braunen Augen; oder schauten die Augen himmelblau unter hellblonden Haaren, die sich bisweilen um die Brust schlangen?

Ihr Vater, der Wasen-Aach vormals entsprudelt, war das, was man einen rechten Wassermann nennen darf. Den dicken Bauch, und solcherlei ziert Wassermänner besonders, sonnte er überaus gerne. Wenn ihm der Wind dann schon einmal den muschelverhangenen Grünbart über`s Gesicht schlug, prustete er neckisch aus Mund und aus Nase kunstvolle Wasserspiele zurück.

Seine Gattin hieß Cempenia, still und versonnen im Wesen; bei Mondschein verwandeln sich die Flossen zu Gold, und der violette Fischleib lässt die menschengleiche Haut noch bleicher erscheinen. Dann wird auch der Wassermann ernster und -sehr stolz auf sein Weib.

So lebten sie einträchtig und zufrieden: der lustige Wassermann, die schmachtschöne Cempenia, die kleine tapfere Galatella und Zisbrula, die größere Schwester, klug und geschmeidig, die Blicke so manchen Flussaals auf sich lenkend. Zisbrula blieb ja manches Mal abends aus - die Eltern wunderten sich kein bisschen darüber - und traf am großen Strudel Jelääser, den jungen Aal, da wo das rote Eisenwasser herzusprudelt in den Fluss. Sie tanzten immer den Wirbeltanz und tranken die quirligen Rotwasserperlen, bis dass es ihnen ganz lustig in den Köpfen wurde und die aneinanderlehnten und sich weitertreiben ließen, beieinander träumend. Wovon? Voneinander!

Und eines Tages schwamm Jelääser vor den Wassermann und hielt um Hände und Flossen der klugen Zisbrula an. Und der Wassermann fragte: „Kannst du sie ernähren?“ Und Jelääser sagte: „Aber du hast doch genug für deine Tochter, deren Ehemann und viele kleine Jelääsis und Zisbrulchen.“ Und der Wassermann fragte seine Gattin: „Hat er Recht?“ Und dann war die Hochzeit.

Galatella hielt die Tangschleppe ihrer Schwester. Sogar vom Ijsselmeer waren sie gekommen: die vielen Verwandten, Nymphen und Aale, schwammen mit lustigen Purzelschwüngen und eleganten Pirouetten um das Paar herum bis zu einer kleinen, aber tiefen Höhle, in der die Beiden verschwanden.
Nur der Sprudelgeist quirlte noch heraus und versicherte allen: „Ich habe sie getraut auf Treue, bis dass alles Wasser versandet.“ Dann wirbelte er hinfort zur Sprudelgeistquelle.

Die Hochzeitsgäste winkten dem Paar in die Höhle hinein und blubberten zum Abschied das Hochzeitslied, auswendig und ohne Noten. Und bei dieser Wassermusik hätte man Cempenia weinen sehen können, wenn überall nicht ohnehin Wasser gewesen wäre. Aber es war ja vor Glück, dass sie weinte. Und der Wassermann sah Cempenia von der Seite an und freute sich ganz tief in seinem Fischherzen.
Galatella indes träumte in jener Nacht das Märchen vom Kaiser-Aal mit der weißen Krone, der gleich tausend silbernen Sternschnuppen ihren Leib umblitzt.





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